11

DEZEMBER 2016

Verbandspolitik
Werbewirkung

Sven Dierks zur Pleite in der Zusammenarbeit der Werbewirkungsforschung

Auf eines ist Verlass: Die Forderungen der Werbungtreibenden an die Medien, Nachweis über die Werbewirkung zu erhalten. Losgelöst von der Kreation, den Werbemitteln, lautet die Kardinalfrage: In welche Mediagattungen und in welche Medien muss man wieviel investieren – und was erhält man für das Investment? Man kann das auch verstehen, denn wer jährlich einen erklecklichen Milliardenbetrag ausgibt, will ja auch wissen, was er dafür erhält.

Eigentlich könnten sich alle Beteiligten beruhigt zurücklehnen, denn die Frage der Wirksamkeit ist zumindest für die klassischen Medien und bezogen auf ein überschaubares Set an Indikatoren seit Jahren befriedigend gelöst:

– Wer über nur geringe Mediabudgets verfügt, sollte verstärkt sein Augenmerk auf eine wirklich überzeugende Kreation legen,
– bei genügender Bekanntheit und Distribution hilft kategoriespezifischer Werbedruck und Mediamix,
– Kategoriespezifisch und bei geringen Budgets genügt die Konzentration der Investments auf eine Mediagattung.
Die Ergebnisse medienspezifischer Studien (und von den jeweiligen Gattungen oder gar Medien betriebenen Studien) ergeben ebenfalls ein halbwegs klares Bild – allerdings nur aus der Situation des jeweiligen Absenders heraus zu verstehen:

 

  • Platzhirsch TV belegt, dass es sinnvoll ist, Budgets schwerpunktmäßig bei TV zu allokieren,
  • Radio belegt, dass es sinnvoll ist, den Mediamix-Anteil von Radio zu Lasten von TV zu erhöhen,
  • Print belegt, dass es sinnvoll ist, den Mediamix-Anteil von Print zu Lasten von TV zu erhöhen, insbesondere dann, wenn weichere Kommunikationsziele wie Images oder Produktsympathie erhöht werden soll, und
  • Print belegt, dass es am besten zur Kommunikation mit spezifischen Zielgruppen geeignet ist
  • Online kann irgendwie alles, wobei die Nachweise noch rar sind. Das wiederum kann man auch verstehen, denn die anderen Gattungen forschen seit 45 Jahren an ihren Wirkungsnachweisen.

Indes: Die Märkte scheinen von diesen Erkenntnissen partiell unbeeindruckt. Ferrero-Mediachef Uwe Storch stellt fest: Der Bedarf an Werbewirkungsforschung wächst. Was verwundert, denn die werbungtreibenden Unternehmen führen selbst unzählige Trackings durch, um die Erfolge ihrer Maßnahmen zu prüfen. So führt allein ein großer Marktforschungskonzern in Deutschland pro Jahr rund 190 Trackings durch. Wenn man das hochrechnet auf alle großen Marktforschungsunternehmen, müsste eine Zahl um die 800 Trackings herauskommen, bestimmt führt auch Ferrero das eine oder andere Tracking durch. Es wäre ja ein Leichtes, wenn alle Unternehmen die Ergebnisse ihrer Trackings in eine große Datenbank zusammenführen und sinnvoll auswerteten.

Machen sie nicht – jedenfalls nicht öffentlich.

Die „Organisation der Werbungtreibenden“ (OWM) und der „Verband der Mediaagenturen“ OMG stemmten hingegen im vergangenen Jahr eine Werbewirkungsinitiative unter finanzieller Beteiligung der Medien aus dem Boden. W&V schrieb: „Werbewirkungs-Initiative: So funktioniert der neue Goldstandard“ Doch die Pleite war vorhersehbar. Gerade mal ein Jahr später die Bruchlandung: „Goldstandard der Werbewirkung scheitert“.

Denn die Erwartungen an übergreifende Wirkungsforschung sind vielfältig. In Wahrheit sitzen alle Player – die Werbungtreibenden und die Medien – wie Pokerspieler an einem Tisch.
Konsens ist: Bei vergangenen Kampagnen soll die Kommunikationsleistung geprüft werden, die aber im Regelfall nur auf wenige Werbewirkungsindikatoren, wie der Awareness, heruntergebrochen wird. Daraus sollen Empfehlungen für künftige Kampagnen entwickelt werden und natürlich auch das vergangene Investment abgesegnet werden.

Player Werbungtreibende: Da gibt es ja noch die individuellen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten über Rabatte. Diese lassen eine womöglich weniger wirkungsvolle Kampagne doch durchaus lohnenswert erscheinen; schon allein deshalb, weil vereinbarte Buchungsschwellen überschritten werden, ab denen neue, attraktive Medienrabatte für die Industrie gelten. Statt in andere, im Rahmen des Mediamix wirkungsvollere Medien umzuschichten, werden die Spendings in einer Gattung weiter aufgestockt. Die nahezu unwirksamen zusätzlichen Mediabestandteile einer Kampagne kosten dann nur noch einen Bruchteil. Doch so lohnt sich vielleicht auch eine objektiv weniger wirkungsvolle Kampagne, weil sie netto weniger kostet als eine unter Wirkungsgesichtspunkten optimale Kampagne.

Player Medien: Die wollen unter Umständen gar nicht so wirklich wissen, welches die Mediabestandteile einer wirksamen Kampagne sein müssen; denn ein womöglich unwirksamer Bestandteil kann ja derzeit durchaus noch lukrativ sein (siehe oben).

Werbewirkung ist ein Bastard. Hin- und hergeschoben zwischen der werbungtreibenden Industrie und den Medien. Werber wissen ja ziemlich genau, was sie tun und haben interne Erfolgskriterien. Aber auch Rabattstaffeln, Vereinbarungen, Abverkäufe. Die Medien selbst stecken seit 15 Jahren in der Malaise, dass ihre Cash-Cows noch viel Gewinn abwerfen, womöglich aber gar nicht mehr so wirkungsvoll sind.

Allzu große Transparenz der Wirkbeiträge könnte zur Folge haben, dass etwa im Moment nichts mehr in Mobile investiert würde, weil die Reichweite zwar hoch, die Wirkung aber eher umstritten ist. Eigentlich will niemand den Goldstandard der Werbewirkung, er darf es nur nicht sagen.
Das klingt gaga: Aber so ist das beim Pokern. Am Ende gewinnt einer den Pott. Ganz klar. Das wird die werbungtreibende Industrie sein, es fragt sich nur, wieviel Brotkrumen sie den Medien überlässt.

So lehnen wir uns entspannt zurück im Showfight der Beteiligten – und harren des nächsten Aktes. (Zuerst veröffentlicht: Planung-Analyse.de, 15.8.2016)

http://www.planung-analyse.de/news/blog/pages/protected/Werbewirkungspoker_9761.html