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MäRZ 2017

erfolgreiche Werbung
Humor
Kampagnenwirkung
Kreativität
Mediastrategien
Trends in der Werbeforschung
Werbewirkung

Interview mit Prof. Dr. Martin Eisend, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder.
Erfolgreiche Werbung kann doch nicht schwer sein?! In einem vielbeachteten Artikel in dem Blog werbeeffizienz.guru fasste Martin Eisend die Ergebnisse seiner Metanalyse zur Werbewirkung zusammen, in die letztlich Resultate aus 80 Jahren Werbewirkungsforschung einflossen. Im folgenden Interview nimmt er Stellung zu Fragen zu seinen Forschungsergebnissen:

Werbeffizienz.guru: Herr Prof. Eisend, warum gibt es so viele schlechte Werbung?

Martin Eisend: Es gibt eine Reihe von Gründen, warum Unternehmen ineffektive Werbung schalten, wie z.B. fehlende Pretests, Abstimmungsprobleme mit Agenturen oder geringe Werbebudgets. Hinzu kommt, dass es heutzutage viel mehr Werbung auf viel mehr Kommunikationskanälen als in der Vergangenheit gibt. Daher ist es schon mal viel schwieriger, aus der Masse herauszustechen und zu überzeugen, also „gute Werbung“ zu machen. Wenn man diese Rahmenbedingungen bedenkt, dann gibt es doch noch recht viele Beispiele für gute Werbung.

Werbeffizienz.guru: Viele internationale Konzerne entwickeln regionenübergreifende Markenstrategien: ist das sinnvoll?

Martin Eisend: Wenn die Marke von Konsumenten*innen in verschiedenen Regionen gleich verstanden und auf gleiche Weise genutzt wird, ist das eine effiziente Strategie. Gerade bei jungen Konsumenten*innen gibt es eine Homogenisierung von Konsumverhalten und Markennutzung. Doch auch bei regionenübergreifenden oder globalen Markenstrategien ist oftmals eine Anpassung der Kommunikation nötig, denn Kommunikation ist stark in der Kultur verankert und daher schlecht zu standardisieren. Man denke z.B. an Humor in der Werbung.

Werbeffizienz.guru: Wie baue ich werblich eine neue Marke auf?

Martin Eisend: Das kommt sicherlich auf die Marke und die jeweilige Marketingstrategie an. Die Werbung muss natürlich auf der Positionierung der Marke aufbauen und die zentralen brand claims kommunizieren. Grundsätzlich ist beim Aufbau einer Marke zunächst Aufmerksamkeit bzw. Bekanntheit ein zentrales Ziel. Die werblichen Fehler, die dabei passieren, beruhen oftmals darauf, dass nicht jede Aufmerksamkeitsmaßnahme dazu führt, dass eine Werbung gemocht wird (z.B. Schockwerbung). Wir haben in unserer Forschung auch festgestellt, dass eine sinnvolle Kommunikationsstrategie für Neuprodukte und Marken möglichst auf glaubwürdige Kommunikation setzt und der hohe Werbedruck erst dann kommen sollte, wenn zumindest die Erstnutzer*innen von dem Produkt überzeugt wurden.

Werbeffizienz.guru: … eine Strategie, die gegenwärtig als Influencer Marketing Renaissance hat?

Martin Eisend: Technologieunternehmen wie Apple oder Microsoft machen das vor: Neue Produkte werden erstmal in den Medien diskutiert und auf einer Konferenz vorgestellt, der Werbedruck beginnt erst, wenn die Produkte im Markt erhältlich sind.

„Im langfristigen Vergleich schwächen sich Werbewirkungseffekte ab“

Werbeffizienz.guru: Ihre Studie umfasst Daten von 1993 bis jetzt: Ändert sich über die Zeit etwas oder sind die Einflüsse konstant?

Martin Eisend: Die älteste Metaanalyse im Artikel, der im Journal of Advertising veröffentlicht wurde, stammt tatsächlich von 1993. Diese Metaanalysen haben aber selbst wieder alte Studien zusammengefasst, die älteste davon wurde 1939 veröffentlicht. In einem anderen Artikel, in dem die zeitlichen Veränderungen der Effekte in verschiedenen Marketingbereichen untersucht wurden, konnten wir feststellen, dass die Einflüsse im Bereich Werbung zurückgingen. D.h. die Wirkung von Werbung scheint im Laufe der Zeit schwächer geworden zu sein.

Werbeffizienz.guru: Perspektivisch müsste daraus eine Intensivierung der werblichen Maßnahmen folgen?

Martin Eisend: Zunächst mal wäre es sicherlich sinnvoll, die Gründe für ineffiziente Werbung zu vermeiden, was durchaus gewisse Investitionen bedeutet, z.B. für mehr Pretests. Ob eine Intensivierung im Sinne von mehr Werbung Sinn macht, bezweifle ich in Anbetracht der Informationsflut und der vielen Werbung, die wir heute schon haben.

„Werbewirkung durch Media oder Kreation?“

Werbeffizienz.guru: Was wiegt schwerer: Media oder Kreation?

Martin Eisend: Das kommt auf die intendierte Wirkung an. Wir haben herausgefunden, dass die Botschaft vor allem auf Kognitionen und Emotionen von Konsumenten*innen wirkt, die Medienstrategie vor allem auf die Informationsverarbeitung und auf die Erinnerung, also eher langanhaltende Effekte zeigt.

Werbeffizienz.guru: Media hat eine wichtige Funktion für längerfristige Effekte: Ändert sich etwas durch Onlinemedien?

Martin Eisend: In unserer Studie werden Onlinemedien praktisch noch gar nicht berücksichtigt. Media ist wichtig für langfristige Werbeeffekte, weil Media Entscheidungen zu Wiederholung, Platzierung etc. umfasst. Onlinemedien funktionieren als Werbemedium nicht völlig anders, allerdings ist die Online-Welt etwas schnelllebiger, daher bedarf es sicherlich mehr Anstrengungen, um mit Online-Medien ähnliche langfristige Erinnerungseffekte zu erreichen.

Werbeffizienz.guru: Unter dem Aspekt des Influencer Marketings, wohinter sich die alten Konzepte der Two-Step-Kommunikation oder des Meinungsführers verbergen, kommt social media eine besondere Rolle zu?

Martin Eisend: Sicher ist schon mal: es spielt eine zunehmende Rolle. Das zeigen einfach die steigenden Nutzer*innenzahlen. Es zeigt sich auch bereits, dass es junge Konsumenten*innen gibt, die fast nur noch über social media, nicht aber über klassische Medien erreichbar sind. Noch sollte man aber nicht vergessen, dass die Anzahl der Konsumenten*innen, die über traditionelle Medien erreichbar sind, immer noch größer ist als die social media community. Einige Zielgruppen, vor allem die Senioren*innen, sind über social media praktisch noch gar nicht zu erreichen.

Werbeffizienz.guru: Im Moment herrscht bei social media trial-and-error vor?

Martin Eisend: Die Werbebranche muss noch lernen, mit social media umzugehen, um von der zunehmenden Bedeutung zu profitieren. Der Vorteil von social media ist, dass es sehr günstig und sehr effizient sein kann, weil die Kommunikation sehr glaubwürdig ist. Allerdings zahlt man dafür mit weniger Kontrolle: was die Nutzer*innen mit der Werbung machen und wie sie darüber kommunizieren, kann man schlecht beeinflussen. Das Prinzip kennen wir schon von PR und traditioneller Mund-zu-Mund-Kommunikation. Social media funktioniert da sehr ähnlich, daher kann man das bisherige Wissen ganz gut verwenden. Social media ist aber schneller, vernetzter und globaler – damit umzugehen, müssen Werbetreibende (und Werbeforschende) noch lernen.

Werbeffizienz.guru: Welche Widerstände sehen Sie gegen Ihre Erkenntnisse?

Martin Eisend: Ich hoffe ja, nicht allzu viele. Man muss immer bedenken, dass wir auf einem sehr aggregierten Datenniveau ausgewertet haben und daher auch sehr generelle Aussagen zur Wirkung von Werbung machen. Die Ergebnisse mögen daher nicht unbedingt auf den Einzelfall, d.h. eine bestimmte Marke, ein bestimmtes Produkt oder ein bestimmtes Unternehmen, vollständig zutreffen, bieten aber gute Orientierungen.

Werbeffizienz.guru: Herr Prof. Eisend: Wie werbe ich erfolgreich?

Martin Eisend: Zunächst mal sollte man die Fehler der schlechten Werbung vermeiden wie z.B. auf Pretests verzichten. Gute und erfolgreiche Werbung ist oftmals kreativ, d.h. sie erzeugt Aufmerksamkeit und wird gleichzeitig gemocht. Und gute Werbung nimmt die Konsumenten*innen ernst. Schlechte Werbung schätzt oftmals die Konsumenten*innen falsch ein, denn die wissen heutzutage sehr gut, was Werbung will und wie Marketing funktioniert. Gleichzeitig zeigen sie aber nicht notwendigerweise das gleiche Involvement für ein Produkt, dass die Werbetreibenden haben. Gute Werbung setzt also voraus, dass man die Zielgruppe gut kennt und sie ernst nimmt. Das geht hin bis zur Einbindung und Ko-Kreation von Werbung.

Martin Eisend besteht auf eine geschlechtsneutrale Formulierung. Er wisse, dass sie umständlich sei. Allein: „Sprache ist mächtig und bestimmt unser Denken. Ich glaube, der stark Männer-dominierten Werbebranche schadet es nicht, ein bisschen umzudenken: Diversity fördert nämlich Ideen und Kreativität.“ (Aus einem Email von Eisend an den Herausgeber).